Nachdem wir uns endlich ein erstes Bild von Teno machen konnten, erwartete uns ein ereignisreiches Wochenende. Neben der fortsetzenden Vorbereitung auf die konkrete Feldforschung in Nishiteno wurden zahlreiche Aktivitäten in Aso angeboten.
Ein Zen-Erlebnis im Gokuraku Tempel (極楽寺)
von Marion Dallapozza (21.07.2018)
Am Samstag um sieben Uhr morgens trafen wir uns zu fünft beim Gokuraku Tempel, um Shabutsu (写仏), das Abpausen von Buddha-Bildern, auszuprobieren. Beim Betreten des Tempels wuschen wir uns, ebenso wie es beim Schrein üblich ist, die Hände und den Mund, und betraten das Tatamizimmer, in dem wir malen sollten. Zuerst nahmen wir nacheinander bei der Buddha-Statue Platz, um uns zu sammeln. Danach setzten wir uns gemeinsam an den Tisch. Der zuständige Mönch namens Hayashi und seine Frau Yuki begrüßten uns herzlich und erklärten uns den Ablauf. Zuerst bekamen wir einen Matcha-Tee mit einer Süßigkeit, danach wählten wir jeder für sich aus vier verschiedenen Buddha-Bildern eines zum Malen aus. Das Abpausen würde je nach Schweregrad ein bis zwei Stunden dauern. Obwohl sich manche vorher gesorgt hatten, nicht genug künstlerische Fertigkeiten mitzubringen, sollte dies kein Hindernis darstellen. Bei dieser Praxis geht es nicht um eine perfekte Kopie, sondern darum, sich mit Pinselstrich für Pinselstrich von seinen Gedanken zu lösen. Es handelt sich um eine Selbsterfahrung, und um einen Versuch der Selbstverbesserung.
Zum Malen ließen uns Herr und Frau Hayashi im Zimmer allein. Zu Beginn überlegten wir uns, was uns für Themen, Wünsche oder ähnliches gerade am Herzen liegen (jeder für sich), und begannen dann unsere Session. Es wurde ruhig im Raum. Ich hob immer wieder meinen Kopf um durch die großen Fenster nach draußen auf die Reisfelder und den Rand der Caldera zu blicken. Ich war dankbar und froh, diese schöne Erfahrung erleben zu können.
Am Ende schrieben wir unsere Namen auf das Blatt, und ergänzten je nach Bedarf unsere Wünsche. Die Hayashis gesellten sich wieder zu uns und wir besprachen unsere Eindrücke. Herr Hayashi erzählte, er habe mit 12 Jahren begonnen mit dem Pinsel zu malen, und obwohl er es nun bereits seit vielen Jahren macht, falle es ihm nach wie vor schwer. Als Toni sich näher nach den Pinseln erkundigte, die auch für Kaligraphie verwendet werden, bekamen wir auch noch die Möglichkeit es mit dem echten Pinsel zu versuchen. Zuvor hatten wir nämlich japanische Tuschestifte benutzt. Das Zeichnen mit den echten Pinseln fanden alle viel schwieriger, obwohl Toni bald ihren bevorzugten Pinsel ausfindig machen konnte.
Wir machten ein Gruppenfoto mit unseren Werken. Dann übergaben Toni und ich unsere Bilder Herrn Hayashi, die anderen nahmen ihre als Erinnerung mit heim.
Dann folgten wir Herrn Hayashi zur Buddha-Statue und setzten uns hinter ihn, und er begann in einem Sprechgesang Sutren zu rezitieren. Dazu schlug er einen Takt mit einem hölzernen Rhythmusinstrument, und schlug den Gong dazu. Das hatte einen meditativen Effekt. Dann wurden Tonis und mein Bild als auch mein persönlicher Wunsch, den ich auf dem Bild notiert hatte, dem Buddha vorgetragen und gezeigt. Herr Hayashi hielt die Bilder kurz über eine Flamme - im Anschluss werden sie verbrannt.
Zum Abschluss durften wir alle draußen die große Glocke läuten. Dazu hörten wir von Professor Manzenreiter eine schöne Geschichte. Da diese Glocke nach dem Erdbeben 2016 heruntergebrochen war, wurde sie für lange Zeit nicht geläutet. Mittlerweile ist das vertraute Geräusch des Gongs aufgrund dieser Vorgeschichte vielen Bewohnern eine große Freude. Herr Hayashi erzählte uns, dass man die Glocke sehr weit hört, und dass sie die Menschen in den Häusern daran erinnert, dass gerade jemand beim Tempel ist, was Ausdruck einer Verbundenheit der dortigen Tempelgemeinschaft ist.
Es war ein unvergesslicher Morgen.
Vom Bahnhof bis zum Vulkan
von Matthias Pech (21.07.2018)
In meinem Bericht erzähle ich über die „wolkenreiche" Besteigung des Nakadake (中岳,) eines Gipfels des Aso-san (阿蘇山) zweier Studenten, gemeinsam mit Professor Manzenreiter.
Wir waren schon früh zum Aufbruch bereit, hatten ein reichhaltiges Frühstück genossen und unsere kleinen Rucksäcke mit Proviant gefüllt, doch zögerten wir etwas, denn unser Ziel war in Wolken gehüllt und der Wetterbericht versprach kein Kaiserwetter. Dennoch entschieden wir uns für unser Unternehmen, mit einem hoffungsvollem Blick auf die Wolken, welche just begonnen hatten sich etwas zu lichten.
Um 10:10 trennten wir uns von der Gruppe, die motorisiert den Berg erklimmen wollte, am Bahnhof Aso (阿蘇駅) und erreichten schon bald einen tiefgrünen Kiefernwald. Dank der angenehmen Temperaturen kamen wir rasch voran und erreichten bereits eine Stunde später den durch gezieltes Abbrennen der Vegetation, dem Noyaki(野焼), künstlich herbeigeführten oberen Waldrand, wo sich dann ein Teil des berühmten Graslandes von Aso vor uns erstreckte.
Leider war es uns nicht möglich die Straße abzukürzen, da gerade Almbetrieb war und so das Betreten der Weideflächen verboten war. Angenehmerweise gab es aber wenig Verkehrauf der sanft ansteigenden Straße.
Um 12:15 passierten wir den faszinierenden Komezuka, auch „Reishügel" (米塚) genannt, der eines der beliebtesten Fotomotive in der Region darstellt. Von der Straße aus konnten wir auch die Stadt Kumamoto, mit der dahinter liegenden Ariake-See (有明海) und, im Dunst kaum sichtbar, die Präfektur Nagasaki (長崎) mit der Shimabara-Halbinsel (島原半島) entdecken.
15 Minuten später hatten wir die erste Hälfte der 15 Kilometer langen Straße zurückgelegt und um 13:05 verließen wir zum ersten Mal, seit wir sie betreten hatten, die Straße, und die Erleichterung darüber konnte man uns ansehen. Dort trugen wir uns auch in ein Kichou (記帳), einem Notizbuch ähnlich einem Gipfelbuch, das aber unterhalb von diesem liegt, ein. Dort kann man seinen Namen und Gedanken über den Ausflug eintragen, und es erleichtert so auch die Suche nach vermissten Wanderern.
Nach einer kurzen Pause kamen wir zum Aso Vulkan Museum (阿蘇火山博物館), wo wir unsere mitgebrachten Jausen verspeisten, wobei ich dabei lernen musste, das nicht jedes Supermarkt-Brötchen, und mag es noch so verlockend aussehen, für einen langen Ausflug geeignet ist.
Nach einer kurzen Pause und drei weiteren Kilometern kamen wir kurz nach 15:00 am Kraterrand an. Auf den letzten hundert Metern davor hatte der Wind an Stärke zugenommen, ein Vorzeichen dafür, was uns beim Anstieg auf den Nakadake erwartete.
Am Kraterrand selbst hatten sich nur wenige Touristen eingefunden, um im tiefen Krater einen Hauch Türkis hinter weißen Wänden aus Wasserdampf zu erahnen. Der schneeweiße Wasserdampf bildete einen scharfen Kontrast zu dem was man um den Krater sah, zerstörte Wege und Abgrenzungen, sowie ein schwer beschädigtes Gebäude, behelfsmäßig mit Plastikplanen abgedeckt, erweckten den Eindruck, als hätte vor wenigen Monaten und nicht vor fast zwei Jahren der Ausbruch stattgefunden.
Der letzte Teil unserer Etappe setzte sich aus zwei Wegsegmenten zusammen. Die erste Hälfte war die Überquerung eines Aschefeldes. Die Feinheit der Sedimente erinnerte an feinen Meeressand, doch war dies auch nicht so unpassend, da wir uns zu diesem Zeitpunkt in einem Wolkenmeer befanden. Mit einer Sicht auf 50 bis 60 Meter beschränkt und eingehüllt in unserem Regenschutz, folgten wir einem hölzernen Pfad durch eine faszinierende Welt die vornehmlich schwarz, grau oder weiß war. Der zweite Teil war ein steiler Anstieg, wo aber glücklicherweise alle 5 Meter ein großer gelber Pfeil uns die Richtung wies. Obwohl kein richtiger Regen fiel war es so nass, das nach jedem Foto das Objektiv schnell abgewischt werden musste um auf dem nächsten Bild etwas sehen zu können.
Um 16:55 erreichten wir unser zweites und letztes Ziel, den Nakadake und so inmitten der Wolken war er überraschend gut besucht...allerdings von Insekten. Da der Weg an deraufgelassen Seilstation vorbei und weiter direkt nach Ichinomiya aus Sicherheitsgründen gesperrt war, mussten wir dann den selben Weg zurückgehen.
Und während wir den langen Tag in einem kleinen Lokal am Rand von Ichinomiya (一の宮) mit zwei Bier und einem Fruchtsaft ausklingen ließen, wunderte ich mich, warum wir an diesem Tag keinem anderem Wanderer oder Bergsteiger begegnet waren.
Schreinputz und Singabend in Nishi-Teno
von Martin Bär (21.07.2018)
Der heutige Morgen begann für die meisten von uns schon sehr früh. Drei Mitstudierende und ich hatten uns gemeldet, den Männern beim dreimal jährlich stattfindenden Aufräumen des Kokuzō-Schreins (国造神社) in Nishi-Teno (西手野) zu helfen. Nach der langen Nacht gestern kamen wir nach einer halben Stunde Fahrradfahren mehr oder weniger noch in schlafendem Zustand am Schrein an, wo sich schon einige ganz und gar nicht müde scheinende, ältere Herren in Arbeitshosen versammelt hatten. Diese begrüßten uns freundlich und gingen um acht Uhr in einem Raum, um die Aufgabenverteilung zu machen. Nach zehn Minuten kamen die 14 Männer, allen voran der stellvertretende Leiter des Aufräumtrupps (sōdaichō 総代長) und der Schreinpriester heraus, um ihre Geräte zu holen und mit vollem Elan an die Arbeit zu gehen. Von allen Seiten tönten nun die Motoren der Mini-Trucks (ケートラ), Kettensägen, Laubgebläse und Grastrimmer, alles wurde zügig aufgeräumt.
Bis zur viertelstündigen Pause in der Halbzeit, wo wir mit Tee und Wassermelonen mit Salz versorgt wurden, waren wir alle mit Kehren bzw. dem Aufsammeln von Ästen beschäftigt. Abgeladen und verbrannt wurden diese auf dem Mini-Truck transportierten Äste an einer lagerfeuerartigen Stelle, deren Rauch wohl sogar den Aso-Gängern auf der anderen Seite des Tales sichtbar gewesen sein sollte. Nach der Pause ging es dann für uns mit Kehren rund um den Schrein herum weiter. Damit waren wir und noch einige andere Mitglieder des Aufräumtrupps weitere zwei Stunden beschäftigt. Zur Belohnung wurden wir dann zu einem gemeinsamen Mittagessen eingeladen. Alle haben sich die aufgetischten Onigiri, Tempura, Karaage und die anderen Köstlichkeiten gehörig munden lassen und sind nach einigen kurzen Unterhaltungen nach Hause gegangen, um später für die Versammlung der Gruppe wieder zurückzukehren. Die ältere Dame, die das Essen zubereitet hatte, kam erst aus der Küche, als die anderen schon weg waren. Mit diesem Moment wurde uns noch einmal vor Augen geführt, dass in der Gemeinde noch eine strikte Geschlechtertrennung zu herrschen scheint. Wir unterhielten uns daraufhin noch mit dem sodaichō, der uns im Laufe des Gesprächs sogar auf Line geaddet hat. Danach kehrten wir nach einer kurzen Besprechung mit Hr. Wilhelm im Combini wieder nach Hause zurück.
Am Abend waren wir dann bei einer Gesangsgruppe in Nishi-Teno eingeladen, wo wir ab 20 Uhr den ca. 12 Männern beim Proben für das nächste Woche stattfindende Onda-Matsuri (御田祭) zuhören durften. Das sehr lange Lied erzeugte mit seinen langgezogenen Vokalen und seinen geheimnisvoll klingenden Melodien eine nahezu meditative Stimmung, die einigen Sängern auch deutlich ins Gesicht geschrieben war. Zwischendurch gab es eine kurze Pause, in der von fünf Frauen Zuckerwasser (砂糖湯), das wahrscheinlich den Stimmen gut tun soll, und Speisen serviert wurden. Dann ging es wieder weiter mit der zweiten Hälfte des eine Stunde dauernden Liedes, bis die Probe sich zu einer gemütlichen Runde unter Freunden mit ausgiebigen Gesprächen und genug zu trinken wandelte.
Zu Gast
von Tamara Opacic (22.07.2018)
Heute wurden wir in drei Gruppen eingeteilt. Die Personen, die gestern beim Aufräumen des Kokuzō-Schreibs für das Onda-Masturi geholfen haben, durften heute endlich auch zum Krater des Berges Aso hinauffahren. Das Wetter und die Sicht waren nicht besonders gut, dennoch schienen sie viel Spaß gehabt zu haben. Die zweite Gruppe war heute dafür verantwortlich, den Dorfbewohnern von Nishi Teno beim Putzen und bei weiteren Vorbereitungen für das Fest zu helfen; die dritte Gruppe wurde schließlich ins Dorf Ogomori geschickt, um dort auszuhelfen.
Es war vorgesehen, den Dorfbewohnern beim Schneiden der Gräser mithilfe sogenannter Kusabaraiki zu helfen. Jedoch kamen die dort anwesenden Männer schließlich zu dem Entschluss, dass es zu gefährlich wäre und die Versicherung problematisch wäre. Letztendlich durfte nur Professor Manzenreiter bei der Arbeit helfen. In der Zwischenzeit durften die unbeschäftigten Studenten ins Haus von einem der dort mithelfenden Männer, um sich mit seiner Frau zu unterhalten. Er erzählte uns, dass sie Deutsch gelernt hatte und sich demnach mit uns unterhalten könne. Diese Einladung nahmen wir gerne an und wurden netterweise von diesem Dorfbewohner zu seinem Haus gefahren und von seiner Ehefrau herzlich aufgenommen.
Sie erzählte, dass sie vor ungefähr 50 Jahren an der Universität von Kumamoto Deutsch gelernt hat und eine Freundin hat, die in Deutschland lebt. Sie zeigte uns auch gleich als erstes ein Fotoalbum, in dem es größtenteils Fotos von ihrem Haus gab, in dem wir uns gerade befanden. Sie erklärte uns, dass das Gebäude über 100 Jahre alt war und zeigte uns die Fotos von über zehn Jahren, als das Haus noch eine Ruine war und die Umbauarbeiten erst begonnen hatten. Des Weiteren erzählte sie uns, dass sie nicht am Onda-Matsuri am Donnerstag teilnehmen wird, da sie für die Vorbereitung zuständig sein wird. Wie erfuhren von ihren beiden Kindern, die beide nicht in Ogomori leben und stattdessen nach Toyama und Fukuoka gezogen sind und auch über ihren mittlerweile elfjährigen Enkel. Außerdem gehört ihr und ihrem Ehemann ein Feld auf dem sie unter anderem Kartoffeln, Zwiebeln, Gurken, Kürbisse und Reis anbauen. Die 72-jährige Dorfbewohnerin war eine vorbildliche Gastgeberin und hat uns ununterbrochen etwas zu Essen und zu Trinken gebracht. Zuerst durften wir uns einen Saft aussuchen und bekamen danach Sensha–Tee zu trinken. Dazu gab es Jelly aus Gemüse, wie zum Beispiel Karotten oder Paprika, aber auch welche aus Matcha. Da sie sehr süß waren sagte sie daraufhin, dass Japaner nach etwas Süßem immer etwas Salziges essen und brachte uns eingelegte Gurken. Darauf folgten gekochter Mais, Sōmen, Tomaten und in Alkohol eingelegte Pflaumen.
Während wir die Sōmen genossen, stießen auch Professor Manzenreiter und der Ehemann unserer Gastgeberin dazu, da sie ihre Arbeit erledigt hatten. Daraufhin übernahm der Ehemann die Leitung des Gespräches und seine Frau setzte sich nicht mehr zu uns an den Tisch, sondern brachte den Männer etwas zu essen. Er erzählte uns, wie seine Frau bereits vorher, dass er Geschichte unterrichtet hat und viele interessante Informationen, unter anderem über Kanji. Seine Frau hingegen war seit der Geburt der Kinder Hausfrau. Ihr Mann ist beruflich viel gereist und sie hat uns erzählt, dass sie auch sehr gerne verreisen würde. Um 15 Uhr fand dann das Treffen im Yui statt und die Personen, die wollten, konnten Nagashi-Sōmen essen. Dabei fließen Nudeln durch ein mit Wasser gefülltes Bambusrohr, die man mit den Stäbchen fangen muss. Drei Personen hatten außerdem die Möglichkeit an einem Singübungsabend in Vorbereitung auf das Onda-Matsuri in Ogomori teilzunehmen und fuhren am Abend dorthin.