Interview mit Yasemin Zeisl

Yasemin Zeisl

Yasemin Zeisl hat 2017 an der Universität Wien das Japanologie-Bachelorstudium absolviert, gemeinsam mit den Fächern Koreanologie (Abschluss 2015) und Musikwissenschaften (Abschluss 2016).  Danach schloss sie ein einjähriges Masterstudium in International Relations an der London School of Economics and Political Science (LSE) ab, um ihr politisches Spektrum zu erweitern. Zum Zeitpunkt des Interviews arbeitete sie als Risk Analyst für eine Risikomanagementfirma, die sich auf politische, internationale Risiken fokussiert. Aktuell ist Yasemin in Brüssel als Researcher für eine Beratungsfirma, die mit EU-Institutionen zusammenarbeitet, tätig.


 

Was waren deine Erwartungen vor dem Studium an das Japanologie-Studium?

Ich bin damit reingegangen, dass ich die Sprache definitiv lernen wollte, weil ich schon vor dem Studium Japanisch-Kurse gemacht habe. Mich haben Sprachen immer sehr interessiert, auch in der Schule schon, aber ich wusste auch, dass das beim Studium natürlich eher ein Mittel zum Zweck ist, damit man wissenschaftlich forscht. Und ich glaube es ist auch wichtig, dass viele das wissen oder sich dessen bewusst werden. Ich glaube, das ist das Schwierige für viele, weil sie glauben, „das ist nur Sprache“, und dann kommen die ganzen Seminare, die eigentlich der Hauptfokus sind. Und das macht dann weniger Spaß und dann denke ich mir, dass man wirklich überlegen sollte, ob man ein Japanologie-Studium machen möchte.

Gab es Bereiche, die dich dann überrascht haben, oder wo du gesagt hast: „Ah, das habe ich nicht erwartet“? 

Hmm, eher weniger. Also vielleicht von den Themen her. Ich habe zum Beispiel ein Seminar über japanische Gesellschaft und Altern gemacht und ich hätte nicht gedacht, dass ich dazu einmal eine Arbeit schreiben werde – mein Thema war kodokushi.

Über den einsamen Tod, also den Tod von Alleinlebenden… 

Genau. Dass ich mir doch ein so spezifisches soziales Thema ansehe. Und es war eigentlich auch sehr interessant, weil man viel Neues dabei lernt. Im Nachhinein gesehen finde ich es wirklich spannend, wenn man sich auf so ein kleines Thema sehr fokussieren kann. Weil zum Beispiel jetzt in der Arbeit – sozusagen in der Businesswelt – macht man oft viele verschiedene Dinge, und das ist ein bisschen überblicksmäßig. Im Studium hat man wirklich die Möglichkeit, in ein Thema zu tauchen, das einen wahnsinnig interessiert und über das man viele Details lernt.

Und welche Situationen fallen dir ein, bei denen du denkst: „Ah, das war eine Herausforderung in meiner Studienzeit“? 

Definitiv das Kanji-Lernen. Weil es eben doch viele Kanji werden, besonders gegen Ende des Bachelorstudiums. Ich glaube es ist besonders wichtig, dass man dabei am Ball bleibt und nicht nachlässt. Beim allerletzten Kanji-Test habe ich dann gemerkt, dass man sich da wirklich gut vorher, lange vorher vorbereiten sollte. Und auch generell, dass man sich vielleicht einen Tandempartner sucht, um die Sprache zu üben. Es ist nämlich doch etwas anderes, die Sprache in praktischen Situationen zu üben als sie am Papier zu lernen.

Wie bist du da vorgegangen mit dem Tandemaustausch?

In einem Japanisch-Sprachkurs wurden uns Tandempartner vorgestellt: „Hier sind Japaner und Japanerinnen, die gerne einen Tandempartner suchen.“

Und ihr habt euch dann privat getroffen? 

Genau. Das war dann so, dass man gemeinsam Hausübungen bespricht, oder sich einfach ein Thema aussucht und versucht, darüber auf Japanisch zu sprechen. Es ist natürlich hilfreich, wenn die Person nicht besonders gut Deutsch sprechen kann, weil man dann dazu gezwungen ist, in der Zielsprache zu kommunizieren, und dass man sich gegenseitig hilft.

Du hast nachher den Master in London gemacht, wo du ein anderes Universitäts- und Studienklima kennengelernt hast. Gab es Momente, wo du dir gedacht hast: „Oh, das ist ganz anders“?

Ja, das war schon recht schwierig für mich im Masterstudium. Das Masterstudium in England ist generell nämlich nicht zwei Jahre, sondern ein Jahr. Das heißt man rast durch den Master innerhalb von einem Jahr. Und es war doch ein neues Studium für mich. Es gibt nämlich etliche eigene Theorien und Literatur in International Relations, die man kennen sollte. Sich daran zu gewöhnen und schnell einzulesen ist dann doch herausfordernd, aber man lernt wahnsinnig viel dabei. Vom Klima her ist mir aufgefallen, dass es viel mehr Möglichkeit gab, mit anderen Studenten in Kontakt zu treten, was mir manchmal ein bisschen an der Uni Wien gefehlt hat. Dort gab es Uni-Klubs, so wie auch in Japan. Zum Beispiel ein ganz lustiger Klub war der Weinklub, oder es gab auch einen Japanklub. Bei diesen Klubs konnte man sich anmelden und machen und lernen, was einem Spaß macht. Insofern findet man auch leichter Anschluss bei Mitstudenten.

Wenn du an dein Japanologie-Studium denkst, und hier jetzt auch an die Spaßaspekte, was hat da dir besonders Spaß gemacht? Was hast du in Erinnerung?

Ich finde, dass man zum Beispiel auf die Japanologie-Feiern gehen sollte und sich ein bisschen mit Mitstudenten treffen sollte. Das ist auch positiv, weil man sich dann austauschen kann und vielleicht auch neue Ideen für das Studium gewinnen kann. Vom Spaßfaktor vom Studium an sich her würde ich sagen, dass mir ein Seminar in rakugo-Übersetzung am meisten Spaß gemacht hat. Das war für Masterstudenten und Studenten, die weiter fortgeschritten im Bachelorstudium waren. Für mich war das eine große Herausforderung, weil man da schon richtig gut in der Sprache sein musste, also musste ich mich wirklich lange vorbereiten, aber es war umso spannender. Und ich hatte so ein Erfolgsgefühl, wenn ich dann im Unterricht gesessen bin und richtig gut übersetzen konnte. Und es ist ja auch ein lustiges Thema.

Und das hat auch Praxisnähe, nicht? Weil man vielleicht dann diesen Bereich kennenlernt, das Übersetzen.

Genau. Und ich habe auch eine Zeit lang überlegt, ob ich nicht Dolmetschen oder Übersetzen beruflich machen sollte. Insofern war das auch hilfreich.

Apropos Praxisnähe, wie hast du dein Praktikum gestaltet? 

Ich habe am Bezirksamt von Arakawa in Tokyo ein Praktikum gemacht. Das war auf der Japanologie-Seite ausgeschrieben und ich dachte mir: „Früher oder später muss ich eines machen und das klingt interessant, besonders weil es in Japan ist.“ Und ich habe leider kein Auslandsjahr in Japan gemacht. Deswegen dachte ich mir, sollte das Praktikum unbedingt in Japan stattfinden. Und da war eben auch viel Übersetzen und Dolmetschen dabei. Insofern war es eine Herausforderung einfach so in das Übersetzten hineingestoßen zu werden, aber es war auch eine gute Arbeitserfahrung.

Jetzt bist du sozusagen in der Arbeitswelt. Du bist in einem Unternehmen als Risk Analyst tätig. Welche Kompetenzen hast du dir im Studium erworben, die jetzt für deine Arbeitstätigkeit sehr hilfreich sind? 

Definitiv das Recherchieren. Ich muss täglich alle möglichen wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Ressourcen durchforsten und möglichst viel Information – also fokussiert Information – extrahieren. Und es hilft sehr, wenn man das im Studium durch viele Seminararbeiten etc. gelernt hat. Ich glaube auch, dass man sich bewusst werden sollte, was man selbst auf dem Arbeitsmarkt bieten kann. Und ich habe gemerkt, dass das ist, was ich gerne mache und gut kann, und dass das eben vom Studium kommt. 

Also das Suchen nach Information und auch das Differenzieren? 

Genau. Dass man sich ansieht: Ist das eine gute Quelle, kann ich diese Information verwenden oder vergleichen, gibt es da noch mehr Information dazu? Man muss nämlich schon schauen, dass das, was man produziert, gute Qualität hat, weil es dann schließlich veröffentlicht wird und es jeder lesen kann, in meinem Fall. 

Und hast du rückblickend gesehen – du bist ja jetzt, wie gesagt, in der Arbeitswelt – Tipps, die du deinen kōhai, den jetzigen Studierenden oder den zukünftigen Studierenden, als Motivation oder als Rat mitgeben willst? 

Ein Rat, der mir zuerst einfällt, wäre definitiv gleich nach dem Studium den JLPT-Test zu machen. Frau Tochigi hat das im letzten Semester empfohlen und ich habe es leider nicht gemacht [lacht]. Und ich bereue es ein bisschen, weil wenn man dann ein, zwei Jahre wartet, hat man mittlerweile schon wieder viel vergessen und muss sich das dann alles wieder erarbeiten. Also denke ich, dass das wichtig ist. 

Als Zertifikat für Bewerbungen zum Beispiel? Dass man das dann hat?

Genau. Nicht nur, dass man das Zertifikat an sich hat, sondern auch sich selbst dazu zwingt, mehr zu lernen. Das macht Jobbewerbungen viel einfacher. Wenn man sich zum Beispiel in Japan bewerben möchte, wird oft erwartet, dass man Japanisch auf Businessniveau spricht, und man hat natürlich einen großen Vorteil als Japanologie-Student, aber man sollte auch dran arbeiten, dass das… ähm… 

…sichtbarer ist? 

Genau. Und das Zweite ist, dass man sich vielleicht wirklich überlegt, wie man das Japanologie-Studium für sich einsetzen möchte, beruflich gesehen. Ich habe nicht so viel darüber nachgedacht, als ich begonnen habe, es war einfach das Interesse da… 

Das Interesse an der Sprache vor allem? 

Genau. Und auch an geschichtlichen Aspekten. Und dass man sich da vielleicht wirklich überlegt: „Möchte ich das als Hauptstudium oder als Zweitstudium machen? Warum möchte ich das machen? Wie kann ich das Studium für mich einsetzen, um dann auch wirklich das meiste für mich herauszuholen?“ Es wäre nämlich wirklich schade, wenn man das Studium macht, nur so halb „durchgurkt“ und dann am Schluss das Studium praktisch gar nicht im Job anwenden kann. 

Du hast schon einige Bilder gehabt, nicht? Du hast gesagt, dass du auch durch dieses rakugo-Seminar mit dem Übersetzen ein Bild vom „Übersetzen/Dolmetschen“ bekommen hast. Waren da auch andere Berufsbilder, die du während des Studiums gehabt hast? 

Eher weniger. Das ist eben das, was ich mir zu wenig überlegt habe. Deswegen halte ich es auch für wichtig, dass sich andere das besser überlegen als ich. Erst durch das Masterstudium habe ich mich dazu gezwungen zu überlegen: „Was möchte ich jetzt wirklich damit machen?“ Und ich war mir dann am Schluss nicht mehr sicher, ob ich ein Dolmetsch-Studium noch dranhängen möchte, weil das doch sehr spezifisch und fokussiert ist. Also insofern, ja…ich glaube, es ist wichtig im Bachelor anzufangen darüber nachzudenken, in welche Richtung man beruflich in Zukunft gehen möchte. Es gibt schließlich auch viele, die Japanologie als Zweitstudium machen. Eine Kombination ist natürlich immer sehr praktisch. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Danke auch!

Teilnahme am Spring School Program 2017 an der Universität Kumamoto


Februar 2020